Ausstieg ins Leben / Konja Simon Rohde

Wie das mit den Zeugen Jehovas so ist ...

Biographien sind ein faszinierendes Genre. Das liegt daran, dass der Leser von seinen eigenen Problemen abgelenkt wird, und erkennt, andere haben es noch schwerer als ich oder haben den Absprung geschafft.


FAKTEN ZUM BUCH 
Autor:  Konja Simon Rohde
Titel: Ausstieg ins Leben
Taschenbuch: 288 Seiten
Verlag: Mercator-Verlag; Auflage: 2. (3. April 2017)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3946895050
ISBN-13: 978-3946895053
Preis: € 16,00
Genre: Zeugen Jehovas, Biographie
Gelesen in: 3 Tagen

WORUM GEHT ES IN DEM BUCH  
"Ja."
So lautete die Antwort meiner Mutter auf meine Frage, ob sie sich darüber im Klaren sei, dass sie mich nicht wiedersehen werde.

Ich hätte damit rechnen müssen. Schon mein Vater hatte etwa zwei Jahre zuvor jeglichen Kontakt zu mir abgebrochen. Aber ihre Antwort hatte mich trotzdem kalt erwischt. Irgendetwas in mir war in diesem Moment kaputtgegangen. Wenn einem Sohn von der eigenen Mutter am Telefon mitgeteilt wird, dass sie in Kauf nimmt, ihn nie wiederzusehen, dann gibt es wohl nichts, was ihn letztlich darauf hätte vorbereiten können. (Quelle: Klappentext)

SARAHS LESEEINDRÜCKE 
Obwohl ich viel lese und seit 2010 Bücher rezensiere, fällt es mir noch immer schwer, eine Biographie zu bewerten. Immerhin geht es bei einem Buch, nicht nur um Stil, Informationsgehalt, sondern irgendwie auch um den Inhalt.

Wie bei allen Biographien zu den Zeugen Jehovas gibt es von mir eine kleine Einleitung. Meine Opa war Zeuge Jehovas und deswegen im KZ, meine Mutter ist ebenfalls sehr gläubig in diese Richtung, meine Brüder waren ebenfalls Zeugen Jehovas. Der jüngere Bruder ist ausgestiegen, als er eine ungläubige Freundin mit kurzen Haaren hatte, da hieß es schwul. Meine Mutter war nie so tief verwurzelt, da sie aus gesundheitlichen Gründen nie von Tür zur Tür wollte. Ich weiß aber noch, dass wenn sie zu uns kamen, zum Reden, sie immer geschockt waren, dass ich zum Beispiel mit 16 geschminkt war oder einen Minirock im Sommer anhatte. Legen sie doch ihrer Tochter mal nahe ... Das wurde dann weitergeleitet, aber mehr hat mir meine Mutter, auch nicht gesagt. Da sie mich jedoch auch mit 45 Jahren bekommen hat und selbst mit 18 Jahren vergewaltigt wurde, war sie auch ohne die Zeugen Jehovas recht konservativ. Mein ältester Bruder ist irgendwann diskret nach 20 Jahren Dienst geflogen, ich nenne es mal so, als er seine Frau betrogen hatte. Nachvollziehbar war jedoch nicht, dass seine Frau, die dann  einige Jahre später auch gehen musste, weil sie einen neuen Partner fand und den sie nicht unbedingt sofort heiraten wollte. Dementsprechend kenne ich die Facetten der Zeugen Jehovas und bin eben oft der Meinung, dass vieles übertrieben wird, aber auch vieles korrekt ist. Nun aber zum Buch.

Konjas Buch beginnt mit seiner Geburt, seinen Namen und der Tatsache, dass er durch den Glauben schon ein Außenseiter war. Falsche Gemeinde? Es gibt schon viele mit biblischen Namen, aber das ist nicht immer bewusst gemacht. Meine Neffen und Nichten sind moderne Namen gewesen zu der Zeit, wie zum Bespiel Thomas. Zwei Freunde von mir hießen übrigens auch Thomas und die waren ähnlich alt und nicht religiös. Klar, ich kann mich an vieles aus meiner aktiven Zeit nicht erinnern, aber auch so, habe ich nie gesehen, dass eins der Kinder dort geschlagen wurde, außer den üblichen Schlägen, die wohl fast jedes Kind mal bekommt. Auch sind Schläge und Züchtigungen nicht nur für die Zeugen relevant, sondern hängt vom Charakter ab. Mein Dad ist keiner, dafür cholerisch veranlagt. Ich sage nur, drei Tage nicht sitzen können. 

Konja gewährt interessante Einblicke und die meisten sind, wen ich es beurteilen darf und kann, korrekt. Einiges etwas bunter beschrieben, anderes dafür sehr treffend. Gerade die Belehrungen und die Tatsache, dass die Zeugen wirklich ihre Texte durchgehen. Ich fand das schon damals lustig. Vor allen Dingen, hat man Fragen außerhalb der Reihe gestellt, wurde gleich das Thema auf die eigentliche Frage gelenkt, weil sie nur das Nachsagen können, was in der Bibel steht, aber wenig eigenständig denken. Nachdem ich das einmal zu weit getrieben hatte, durfte ich auch nicht mehr an den Besuchen bei meiner Mutter teilnehmen. Aber dann sind da auch Punkte, wo man Konja nicht nachvollziehen kann. Lassen wir mal Mastrubation, was irgendwie bei jedem Aussteiger vorkommt bei Seite. Auf der Innenseite des Covers sind Fotos aus seiner Kindheit. Gleich zu Beginn geht Konja darauf ein, wie unterschiedlich er angezogen war, und das er gehänselt wurde. Okay, der Schlüssel ist zu sehen, aber abgesehen davon, sah er komplett typisch für die Zeit aus. Er hätte also auch als Kind von XYZ durchgehen können oder anders gesagt, ich hätte ihn an Hand seiner Beschreibung nicht aus der Gruppe erkennen können. 

Konja erklärt das wirklich alles gut, aber leider arg sprunghaft, so wie man sich versucht an sein Leben zu erinnern. Nur hätte man das eben auch in eine gute Reihenfolge packen können, ohne dabei den Leser ständig anzusprechen. Sondern eben richtig als Geschichte mit Emotionen. Die bleiben für meinen Geschmack auch zu sehr auf der Strecke, durch die Wahl des Stils. Zudem sind die Kapitel extrem lang. Da er von einer Autorin Hilfe hatte, hätte es für meinen Geschmack besser umgesetzt werden können. Ich empfand das Buch ehrlich gesagt langatmig zu lesen. 

Besser als andere ist die Tatsache, dass er nicht auf tausende von Quellen verweist, zwei Seiten kommen am Ende als Belege heraus. Das ist sehr gut, aber auch hier hätte, ich Fußnoten mit Anmerkungen am unteren Rand besser gefunden. Sonst unterscheidet sich das Buch nur unwesentlich von den vielen anderen Werken. Klar, es ist ein Einzelschicksal, aber so viel neues erfährt man leider nicht. Kennt man 1-2 solcher Bücher, dann kennt man sie alle. Tut mir leid, daher empfinde ich den Inhalt auch nicht super von der Originalität her. 

FAZIT Bis ich drei war, waren wir jede Woche dort, später unregelmäßig bis ich 12 Jahre alt war. Mit 14 habe ich mich losgesagt. Sie sind ein eigenwilliges Volk, dass sie der Rettung verschrieben hat. Die Bibel ist nicht so verkehrt interpretiert von ihnen, und ganz ehrlich noch heute grüßen sie mich auf der Straße, wenn ich mal bei meiner Mutter bin, obwohl ich damit nichts mehr zu tun habe. Wollen sie mich bekehren? Hab ich darüber ein Buch geschrieben, nein. Es ist keine richtige Sekte, wie ich persönlich nach all dem denke. Daher kann ich nicht nachvollziehen, warum jeder darüber schreiben muss. Warum ein Stern? Das werden sicherlich viele Fragen und es wird sicherlich auch böse Kommentare geben. Ich finde Konjas Umsetzung persönlich nicht berauschend. Zu sprunghaft, manches übertrieben, manches sehr authentisch. Das kann ich als Ex-Zeuge erkennen, aber das kann ein normaler Mensch eben nicht unterscheiden. Außerdem gehen mir die Emotionen seinerseits zu sehr in den HIntergrund. Ich habe einige Bücher gelesen. Manche geliebt, andere gehasst, aber das mag ich leider so gar nicht. 

COVERGESTALTUNG💜💜💜💜💜
ORIGINALITÄT DES INHALTS       💜💜
SCHREIBSTIL💜💜💜
UMSETZUNG DER FIGURENNicht relevant
SPANNUNG UND TEMPO💜💜
FAKTEn💜💜💜
ROMANTIKNicht relevant   
GESAMT💙

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