Frieda Norka - Rückkehr ins Kinderseelen-KZ


===Buchdaten===
Autor: Frieda Norka
Titel: Rückkehr ins Kinderseelen-KZ
Verlag: Tologo
Erschienen: 2010
ISBN-13: 978-3940596024
Seiten: 518
Einband: TB
Kosten: 14,90€
Genre: Fiktive Dokumentation
Serie: -
   
===Klappentext===
Der 20. April 2010 in Endtgau, einem kleinen, idyllischen Ort in Tirol: Klassentreffen des Abschlußjahrgangs 1989/90. Alle sind gekommen. Auch Konrad Gussler. Er, der gemobbte Prügelknabe von einst, beschließt seine Peiniger zu überraschen. Auf seine Weise. Mit entfesselter Gewalt, wahnsinnig geworden, richtet Gussler einstige Mitschüler und Lehrer in einem unvorstellbaren Blutbad.Schonungslos erzählt, wird die Geschichte Konrad Gusslers vom unscheinbaren Erstklässler zum irren Mörder lebendig. Dieses Buch berührt den Leser auf unheimliche Art: Irgendwann hört er in seiner Brust das Herz des Amokläufers schlagen.Ein packender, düsterer Roman ergänzt durch eine Chronik realer Schulamokläufe weltweit.

===Inhalt===
Teil 1: Die Reportage
Österreich steht unter Schock: Schule im Tiroler Unterland versinkt in grauenvollem Blutbad

Teil 2: Final Start
Erstes und zugleich letztes Kapitel

Teil 3: Das Interview
Exklusiv-Interview mit Günther H. Otter
"Brecht euer Schweigen!"

Teil 4: Chronik des Schreckens
Endtgau ist überall!

Epiloge
Epilog I
Zitat vom geilen Teufelskerl, der es wissen muß
Epilog II
Zitat eines Gottlosen ohne Lehrstuhl
Epilog III
Zitat vom Datengott ohne Virenschutz
Epilog IV
Three Letters from Hell

===Meine Meinung===
Beim Durchstöbern der Verlags-Homepage bin ich bei dem Titel „Rückkehr ins Kinderseelen-KZ“ hängengeblieben. Bei dem Titel war mein erster Gedanke: Zweiter Weltkrieg. Damit hat das Buch von Frieda Norka aber nichts zu tun, auch wenn der Protagonist sich wie in einem KZ fühlt.
Vielmehr handelt diese fiktive Dokumentation von einem Amok-Läufer. 1999 in Littleton wird jedem etwas sagen und dient vielen Personen auch 21 Jahre später immer noch als Grundlage für einen eigenen Amoklauf.

„Rückkehr ins Kinderseelen-KZ“ erzählt eine fiktive Geschichte über einen Amok-Läufer in einem österreichischen Dorf. Gleich zu Anfang wurde ich mit Zeugenaussagen und dem kompletten Ablauf dieses Dramas konfrontiert. Mit grausamer Brutalität geht der Amok-Läufer vor. Selbst als Leser musste ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass alles was ich gerade lese zum Glück nur Fiktion ist. Ich konnte die Angst, welche die Opfer verspüren mussten, genau nachvollziehen, da die Autorin sachlich jedes wichtige Detail beschreibt.

Nach dieser dramatischen Einführung durfte ich auf über 300 Seiten miterleben, wie aus dem kleinen Jungen viele Jahre später ein Amok-Läufer werden konnte. Wer selber in der Schule einmal im Mittelpunkt des Spotts stand oder über Jahre gemobbt wurde, kann sehr gut verstehen, wie sich Konrad gefühlt haben muss. Für Leser, die sich dies nicht vorstellen, können auf Grund des bildhaften Stils sich in die Gefühlswelt vom kleinen Konrad hineinversetzen. Mit jedem Eintrag wird deutlich, wie grausam Kinder sein können.
Dieser Abschnitt erzählt parallel die letzten Stunden bis zum Amoklauf und belegt mit kurzen oder langen Einträgen, was Konrad während seiner Schulzeit alles erleiden musste. Diesen Einträgen geht stets ein Datum vorher, sodass ich immer genau verfolgen konnte, wie alt Konrad zu diesem Zeitpunkt war. Keiner der Einträge ist in einer bestimmten Reihenfolge, sondern ich hatte das Gefühl in einem Tagebuch zu blättern, mal vorne und dann wieder hinten kleine Stichproben zu lesen. Mit jedem neuen Erlebnis rundet sich das Bild ab und es zeigt sich, dass es für Konrad aus diesem Horror kein entrinnen gab. Wer es nicht selber aus dieser Hölle schafft, dem kann nur schwer geholfen werden. Und selbst dieser Weg ist gespickt von Rückfällen und Ängsten. Wer selber einmal gemobbt wurde, weiß wie schwer es ist, sich durchzusetzen, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man es schaffen kann und wie gut es tut, sich auf die eine oder andere Art Luft zu machen. Aber nicht jeder schafft dies, wie an vielen Beispielen deutlich wird.
Dabei sind es noch nicht mal körperliche Schäden, die die Opfer davon tragen, sonder seelische Schäden. Diese verfolgen das Opfer sein ganzes Leben. Die dadurch entstehende Wut, kann oftmals nicht unterdrückt werden und führt zu solchen Massenmorden. Die typischen Fragen, warum es keiner vorher gemerkt hat, warum keiner reagiert hat oder warum er sich hat nicht helfen lassen, werden von Frieda Norka emotional beantwortet.

Nach dieser aufwühlenden Dokumentation über einen Amoklauf, der so real zu lesen war, als hätte es dieser wirklich stattgefunden, geht die Autorin in ein fiktives Interview mit einem Vertrauten von Konrad über. Der krönende Abschluss ist eine erschreckende Chronik über alle wesentlichen Amok-Läufe zwischen 2004 und 2007.

Frieda Norka muss sich vor dieser Dokumentation über Jahre mit diesem Thema beschäftigt haben. Das wird in diesem Werk mit jeder einzelnen Zeile deutlich. Auf der einen Seite versteht sie es meisterhaft aufzuzeigen, wie es zu einem solchen Massenmord kommen kann und ich konnte sogar stellenweise nachvollziehen, warum Konrad zu reagiert hat. Auf der anderen Seite ist es so erschreckend, dass ich nur hoffen kann, dass zukünftige Amok-Läufer mit diesem Buch abgeschreckt werden oder merken, dass es auch andere Wege gibt. Aus diesem Grund finde ich, dass zumindest die Geschichte von Konrad in jeder Schule Pflicht-Lektüre sein sollte. Opfer und Täter können somit vielleicht noch vor einem solchen Supergau wachgerüttelt werden.

Empfehlen kann ich das Buch jedem. Egal ob Eltern, Schülern oder Lehrern. 518 Seiten, die vielleicht zukünftige Leben retten können. Denn auch jetzt brodelt es sicherlich in einem der vielen Mobbing-Opfer.

===Bewertung===
Für mich ist „Rückkehr ins Kinderseelen-KZ“ ein Werk, dass viele Fragen beantwortet. Auf eine grausame, emotionale und ehrliche Schreibweise, sensibilisiert die Autorin für die Gefühle von Amok-Läufern. Es ist erschreckend und jeder weiß, dass es immer wieder passieren kann, wenn Täter nicht die andere Seite sehen. Und genau dort setzt das Buch an und verdient daher fünf Sterne.


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