KLAPPENTEXT
Lioba geht auf die Kunstakademie, als sie von einem Freund gebeten wird, einen Text auf ihrer Schreibmaschine abzutippen. Obwohl sie weiß, dass er für den Widerstand ist, lässt sie sich drauf ein, und lagert sogar die Vervielfältigungen. Kurze Zeit später wird sie Augenzeuge, als diese Freunde verhaftet werden. Ihr ist klar, dass auch sie dran ist und verschwindet. Obwohl sie weiß, dass nach ihr gefahndet wird, weigert sie sich unterzutauchen oder auch nur falsche Papiere anzunehmen. Sie ist im Glauben, sollte man sie finden, sie beweisen kann, dass sie nur aus Freundschaft gehandelt hat, mit dem Widerstand jedoch nichts zu tun hat. Nach einigen Tagen versteckt, kehrt sie in die Stadt zurück. Meidet jedoch die Kunstakademie und geht stattdessen zum Roten Kreuz. Alles läuft gut, bis sie doch geschnappt wird und im Gefängnis auf ihre Verurteilung wartet.
SARAHS MEINUNG
Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges wird der Büchermarkt mit unzähligen Werken über diese Zeit überschwemmt. Ein Thema, was viele Leute inzwischen am Liebsten vergessen würden. Aus diesem Grund fand ich es interessant einmal zu lesen, wie die Dinge vor 50 Jahren aufgeschrieben wurden, wo alles noch präsenter war, als heutzutage.
Gleich vorweg wird der Leser informiert, dass dieses Buch einer jungen Deutschen, die im Alter von 23 Jahren zum Tode wegen Hochverrat verurteilt wurde. Schon mit diesem Hinweis bzw. spätestens am Ende des Werkes wird der Leser erkennen, dass der Autor das Buch nicht nur diesem Mädchen gewidmet hat, sondern ihre Geschichte für die Nachwelt festgehalten hat.
Viele werden nun sagen, nicht schon wieder ein Schicksal des Nazi-Regimes. Doch dieser Roman sticht durch eine poetische, anrührende Sprache hervor, die das Herz berührt, jedoch in keinem Fall sentimental erscheint. Zudem stellt er die Nazis nicht ins schlechte Licht oder widmet sich einer der zahlreichen Verfolgungsgeschichten, sondern hat sich ein Schicksal ausgesucht, dass es so in der Literatur noch nicht gegeben hat. Statt sich zu verstecken, einen anderen Namen anzunehmen, macht es die Protagonistin ganz schlau, sie geht in die gleiche Stadt zurück, verändert lediglich etwas ihren Typ und nimmt direkt eine Ausbildung bei den Nazis an unter ihrem richtigen Namen. Selbst nach ihrer Verhaftung kann diese starke Persönlichkeit nicht glauben, dass ihr etwas passiert. Erst mit dem Gang zu Henker muss sie sich der Tatsache stellen, dass es zu spät ist.
„Häftling III b 14 E zur Vernehmung.“ Ich heiße Lioba von Eicken, wollte sie sich empören, aber sie hielt sich, die Hände verkrampft, in sich selber fest. (Zitat S. 127)
Der Autor versucht diese Stärke, diesen Mut und diesen Glauben an Gerechtigkeit glaubhaft und realistisch zugleich einzufangen. Dabei gelingt ihn ein Werk was seinesgleichen sucht. Die Protagonistin wird in allen erdenklichen Farben geschildert, sodass der Leser ein genaues Bild von all ihren Eigenschaften, Gedanken und Handlungen bekommt. Auch wenn man im Nachhinein über so viel Naivität nur den Kopf schütteln kann, ist doch klar, dass der Glaube an den Menschen und Gerechtigkeit damals bei einigen Menschen noch vorhanden war. Zeitgleich gelingt es dem Autor mit wenigen Worten den Krieg, die Angst, den Druck von den Nazis und die düstere Stimmung einzufangen ohne dabei die Perspektive dieser einzigartigen Frau aus den Augen zu lassen. Der Leser betrachtet alle Geschehnisse aus ihren Augen und bekommt ein Nazi-Regime zu sehen, wie er es bis dato noch nicht erlebt hat. Beängstigend, aber zeitgleich voller Hoffnung. Den Aspekt, den man sonst aus Büchern dieses Genres gewohnt ist, die Flucht, die Panik, die Angriffe oder sogar das KZ, wird ganz außen vor gelassen. Dadurch ist das Buch erschreckend, aber etwas ganz Besonderes.
Anfänglich stört der gewählte Stil des Autors in meinen Augen sehr. Die Sprache, die er wählt, ist lebendig, detailliert, poetisch und manchmal etwas alt. Letzteres liegt jedoch daran, dass vor 50 Jahren sicherlich der Satzbau eher so gehalten wurde. Diese Kombination lässt den Leser jedoch kaum zur Ruhe kommen. Manche Sätze müssen erneut gelesen werden, damit man sie auch begreifen kann. Aber genau dieser Stil unterscheidet das Buch von so vielen anderen Werken, dass man manche Schwierigkeiten gerne in Kauf nimmt.
Auch wenn viele langsam keine Lust mehr auf das Thema haben, kann ich das Buch jedem ans Herz legen, der sich noch für dieses Stück deutscher Geschichte interessiert, denn es geht einmal nicht um Juden, einen echten Widerständler, sondern nur um ein Mädchen, eine Frau, die denkt, an die Menschen glaubt und hilfsbereit sein wollte.
Autor:Gerhard Uhde Titel: Lioba lebt
Verlag: Quell Verlag Erschienen: 1961
ISBN-10: 3921519098 ISBN-13: 9783921519097
Seiten: 288 Kosten: gebraucht ab 1,00€
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