===Buchdaten===
Autor: Hetty Verolme
Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen
Gebundene Ausgabe: 344 Seiten
Verlag: Beltz; Auflage: Deutsche Erstausgabe (10. Februar 2005)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3407857853
ISBN-13: 978-3407857859
Originaltitel: The Children's House of Belsen
Kosten: 8,95€
Serie: -
===Leseinformationen===
Genre: Biographie
Niveau: anspruchsvoll
Leserschaft: Jedermann
Lesedauer: 2 Tage
===Autor/in===
Hetty Esther Verolme wurde 1930 in Belgien geboren. 1931 zog ihre Familie in die Niederlande nach Amsterdam. Von dort wurden sie und ihre Angehörigen Ende des Jahres 1943 deportiert. Sie überlebte den Holocaust und begann mit der Niederschrift ihrer Geschichte einige Tage nach der Befreiung des KZ Bergen-Belsen auf Wunsch der britischen Armee. In die Niederlande zurückgekehrt, beschloss sie 1954, zusammen mit ihrer Tochter nach Australien auszuwandern, und baute sich dort eine neue Existenz auf. In dieser Zeit entstand nach und nach und unter Zuhilfenahme der frühen Aufzeichnungen das vorliegende Buch. Es erschien 2000 in Australien und wurde dort mit dem National Literary Award ausgezeichnet.
===Optischer Eindruck===
Das Cover zeigt ein Foto von Kindern. Vorne sind einige und hinter einem Stacheldrahtzaun sind ebenfalls welche. Ein Foto aus der Zeit der Befreiung. Besser hätte es nicht gewählt werden können. Es war sogar mal das schlichte, bewegende Cover, dass mich zu diesem Buch verleitet hat.
===Zitierter Klappentext===
Hetty Verolme, 1944 zusammen mit ihren Eltern deportiert, lässt in ihrem Buch eine der bemerkenswertesten, weitgehend unerzählten Geschichten des Holocaust wieder aufleben: den ungewöhnlichen Kampf einer Gruppe von Kindern gegen ihre Vernichtung im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Ende des Jahres 1943 werden Hetty Werkendam, ihre beiden Brüder Max und Jackie sowie ihre Eltern bei einer nächtlichen Razzia in Amsterdam aufgegriffen und später ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Zuerst bleibt ihre Familie noch zusammen, doch dann werden ihr Vater und ihre Mutter, zusammen mit anderen Eltern unter den Augen der Kinder auf einen Transport mit unbekanntem Ziel geschickt. Zurück im Lager Bergen-Belsen bleiben etwa vierzig Kinder, zwischen 10 Monate und 16 Jahre alt. Von den anderen als "Ersatzmutter" akzeptiert, organisiert Hetty zusammen mit anderen Kindern und einer polnischen Aufseherin den Überlebenskampf der Gruppe. Ihren Überlebenskampf in Bergen-Belsen notierte die Autorin des erste Mal wenige Tage nach der Befreiung des Lagers auf Wunsch der britischen Armee. (Quelle: Klappentext)
===Leseprobe===
http://www.amazon.de/Wir-Kinder-Bergen-Belsen-Hetty-Verolme/dp/3407857853/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1351971575&sr=8-1
===Sarahs eigene Inhaltsangabe===
1930 geboren erlebt Hetty Werkendam eine schöne Kindheit zusammen mit ihren jüngeren Brüdern Max und Jackie. Als Juden endet dies jedoch mit dem Einzug der Nazis. Anfangs kann ihr Vater sie noch mit einer teuer erkauften Bescheinigung, dass sie nicht ins Arbeitslager müssen. Doch auch dies hilft ihnen nicht, als 1944 die SS an die Tür kommt und bei ihnen ein befreundetes Mischkind bei ihnen entdeckt wird, die zufällig bei ihnen übernachtet hat. Den untergetauchten Juden finden sie zum Glück nicht. Trotzdem ist die Bescheinigung nichtig und sie werden ins Arbeitslager gebracht. Dort haben sie noch halbwegs Glück. Sie können ihre Sachen behalten, bekommen noch halbwegs genügend Essen und das Wichtigste, sie sind nicht getrennt. Doch alles ändert sich, als es heißt Sachen packen, ihr werdet verlegt. Nach einer langen Reise kommen sie nämlich nach Bergen-Belsen. Als sie ankommen ist es noch ein Arbeitslager, das sich jedoch später ins berüchtigte Konzentrationslager Bergen-Belsen verwandelt. Die Essensrationen sind unterirdisch, die Hygiene ist ein Fremdwort und die Arbeiten sind lang und hart. Trotzdem haben sie noch Glück, denn ihre Baracke ist eine der neueren und noch sauberer. Mit der Zeit wird es jedoch immer schlimmer. Läuse, wochenlang die gleichen Klamotten an, ihr Vater kommt in den Bunker und die Rationen werden immer weniger. In Kombination mit der harten Arbeit und den stundenlangen Appellen im Schnee fordert es langsam seine Tribute. Zwar kann Hettys Mutter ab und an etwas Gemüse aus der Schälküche abzweigen, aber es ist nie genug. Oft teilt sie sich mit ihrer Tochter eine Portion, damit ihr Mann etwas mehr zu essen bekommt. So kommen sie über die Runden, besonders als sie auf Verwandte und sogar das Mädchen treffen, die sie damals bei sich haben übernachten lassen. Sie hat einen Ring dabei, den sie Hettys Mutter weggenommen hat, ihr nun aber wiedergibt. So kann Hettys Mutter Kartoffeln, Zucker und andere wichtige Sachen ertauschen. Doch lang hält dies „Glück“ nicht an, denn es heißt wieder Sachen packen, es geht wieder weg. Erst ihr Vater, dann soll auch ihre Mutter weg. Sie selbst bleiben in Bergen-Belsen, so wie alle Kinder. Babys, Kleinkinder - sie alle werden ihren Müttern weggenommen. Hetty, die die Lebensmittel ihrer Mutter bekommen hat, nimmt sich der „verwaisten“ Kinder an. Auch als sie in andere Lager kommen, bleibt sie immer in deren Nähe. Zusammen mit Schwester Luba, die sich ihrer später annimmt, heißt es lebenswichtige Nahrung zu organisieren. Zum Ende hin wird es immer schlimmer, zumal noch Typhus ausbricht. Hetty wird so geschwächt, dass sie nicht mal das Ende des Krieges wirklich mitbekommt. Sie erholt sich und verfasst später dieses Buch. Ihr Glück haben jedoch nicht alle gehabt. Im Kinderlager sind so manche verstorben.
===Sarahs meine Meinung===
Die Thematik rund um den zweiten Weltkrieg wurde schon in zahlreichen Büchern aufgegriffen. Wenn man eine Mutter hat, die selbst im zweiten Weltkrieg aufgewachsen ist, dann ist man mit dem Thema noch eine Spur verbundener. So habe ich schon als Kind gerne Werke über dieses Thema gelesen. Andere Leute interessieren sich auch für diesen geschichtlichen Teil, aber inzwischen sind viele einfach nur noch genervt und denken: Nicht noch ein Schicksal. Einerseits will man schließlich mit der Zeit abschließen, aber man möchte es natürlich auch nicht vergessen. Allerdings zeigt sich, dass frühere Werke einfach authentischer und ergreifender sind. Erst kürzlich habe ich „Der Mann, der ins KZ einbrach“ gelesen, und bei solchen Werken entsteht das Gefühl: Hier möchte jemand noch auf den Zug aufspringen und Geld damit machen. Meine Mutter hat schließlich ihre Erfahrungen auch nicht in ein Buch gepackt.
Als ich dieses Buch jedoch entdeckt habe, musste ich es unbedingt lesen. Dementsprechend war ich roh, als ich es beim Wichteln geschenkt bekommen.
Der Einstieg in das Buch ist sehr gut gewählt. Ein kleines Vorwort und dann befindet man sich mitten im Krieg. Man begleitet die Familie Werkendam von 1941. Wobei diese Zeit nur im Zeitraffer beschrieben wird, um einfach schnell zum wichtigen Jahr 1944 zu kommen. In diese Zeit werden nur kleinere, aber bewegende Situationen, wie der Abtransport der Oma gepackt. In dieser Zeit lernt man die Familie schon einmal kurz kennen und schließt sie ins Herz. Zudem erfahren Laien alles über die Fakten, was den Einzug der Nazis in den Niederlanden betrifft. Bis hier hin ist es noch etwas, das man oft gehört und gelesen hat. Als die Familie dann beim Abtransport auch noch Glück hat und sogar nicht mit Viehwaggons abtransportiert wird, sondern in Personenzügen, kommt der Gedanke an, enorme Glückskinder ins Gedächtnis. Leider sind dies Schicksale, die mich nicht berühren. Zum Glück ändert es sich spätestens mit der Ankunft in Bergen-Belsen.
Ab hier heißt es: harter Tobak. Der sachliche, aber bildhafte Stil, der sich auf die wesentlichen Aspekte konzentriert, beinhaltet alle Erfahrungen und Erinnerungen, die Hetty in den Jahren gesammelt hat. Sie verschwendet keine Silbe an übertriebene, sentimentale Momente. Sie baut diese sachlich ein, und berührt damit um ein Tausendfaches mehr die Herzen der Leser. So schildert sie bewegende Situationen, die neue Einblicke in den Alltag eines Konzentrationslagers gewähren. Egal, ob sie einfach nur beschreibt, wie sie die ersten Läuse an ihrem Pullover entdeckte, wie sie zum ersten Mal merkte, dass Scham in Bergen-Belsen nichts zu suchen hat, oder wie ausgehungerte Menschen neun Stunden in der eisigen Kälte stehen müssen. Es sind bewegende Momente, wenn man bedenkt, dass hier auch kleine Kinder stundenlang stehen mussten. Für einen Erwachsenen ist dies schon Folter, doch für die Kleinen noch einmal viel schlimmer. Der Leser wird jedoch von dem Lebensmut und dem Einfallsreichtum der Familie gepackt, und kleine, glückliche Momente berühren das Herz tief. Sie schafft es sogar witzige Momente, wie zum Beispiel eine nackte Frau, die sich ihre Brüste über die Schultern werfen muss, um den Bauch abzutrocknen, gekonnt einzufangen. Damit möchte ich nicht sagen, dass der Moment witzig ist, sondern, dass Hetty und ihre Familie den Anblick lustig fanden. Die Tatsache an sich ist natürlich alles andere als erfreulich. Doch es sind diese Kleinigkeiten, die das Buch so wichtig, traurig, ja und leider auch liebenswert machen.
Mit dem Abtransport der Erwachsenen wir das Buch noch viel tragischer. Als Mutter rührt es das Herz. Sie schafft es so authentisch zu vermitteln, wie sich die Kinder fühlten, als sie von ihren Eltern getrennt wurden. Besonders den Schmerz der Babys hat sie so eingefangen, dass mir als Mutter eines so jungen Kindes die Tränen kamen. Für die Jüngsten, aber auch die Großen war diese Zeit die Hölle. Trotz der Beschreibungen ist es schwer, dies alles wirklich nach zu vollziehen. Wie kann man auch nachvollziehen, wie es ist, nur eine Scheibe Brot am Tag zu essen, oder sogar noch weniger und das über Monate. Mal eine Woche, wenn man krank ist, oder Liebeskummer hat, aber das übersteigt die Vorstellungskraft. An vielen Details merkt man jedoch die ganze Tragweite, wie zum Beispiel die Tatsache, dass einige Kinder nicht mal ihren Darm mehr halten konnten und dieser nach jedem Gang auf den Topf eingeführt werden musste. Ihr merkt, das Buch ist schonungslos ehrlich und nichts für schwache Mägen.
Die bewegendsten Momente der letzten Monate in Gefangenschaft schaffen selbst harte Menschen. Genauso ist es mit den ersten Tagen in Freiheit. Bis zur Rückkehr nach Amsterdam schafft Hetty alles Wesentliche festzuhalten. Doch dann geht es wie am Anfang mit dem Zeitraffer weiter. Ich hätte mir hier etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht. Plötzlich ist sie verheiratet, ihr Mann liegt im Sterben und man fragt sich, wen sie geheiratet hat, und wann und wo sie ihn kennengelernt hat.
Ganz zum Schluss gibt es für die Leser, wie mich, die eben gerne etwas plastisches haben, zahlreiche Fotos, ein Interview und einen Brief. Er rundet das Bild noch einmal mehr ab.
Zudem gibt es die gesamte Liste der Kinder. Namen, Nummern, Geburtstage und ähnliches. Diese Liste hat mich dann oft zur Verwirrung gebracht, aber vielleicht habe ich hier auch Daten durcheinander gebracht. Hier zwei Beispiele
So wird Hetty wenige Tage nach ihrem 15 Geburtstag von einem Chef der SS wegen ihres Alters befragt. Sonst sollte sie lügen und 13 sagen, denn das Kinderlager war nur für Kinder bis einschließlich 13. Trotz einer Ausnahmegenehmigung konnte man sich nie sicher sein. Doch dieser Mann wusste sogar ihren richtigen Namen und den ihres Vaters, also die jüdischen zweiten Namen. Sie sagt, sie konnte ihn nicht anlügen und sagte verdattert 14.. Das andere war Max Geburstag. So heißt es auf S. 79 „Am 22.7 hatte Max seinen 12 Geburtstag....“ Es ist im Kapitel Juli 1944. Laut der Liste wurde Max jedoch am 22.7.31 geboren. Er müsste also 13 geworden sein. Erst dachte ich vertan, aber die Nummern der drei Geschwister wurden sogar extra genannt. Und das waren so Momente, wo ich dachte, was soll das. In der aufwühlenden Hektik kann man so einen Fehler machen, aber das Lektorat hätte solche Sachen bemerken müssen. Vielleicht war es auch nur ein Fehler der Nazis, aber dann hätte ein Hinweis beim Bild unglaublich gefreut. Weil solche Fehler eben Zweifler wachrufen.
Trotz dieser beiden Punkte, die zumindest mir aufgefallen sind, ist es ein unglaublich bewegendes Buch, dass besonders in Schulen gelesen werden sollte. Es bietet geschichtliche Aspekte und erinnert die Kinder, wie es anderen früher ergangen ist. Hier könnten die Lehrer endlich mal ein gutes Buch für den Unterricht herauspicken.
Ich habe das Buch an zwei Tagen verschlungen und hätte es sogar an einem Tag gelesen, wenn ich die Zeit gehabt hätte. Es ist so bewegend, dass man einmal angefangen nur schwer aufhören kann.
Das Buch zeugt von Glück, Elend, Leid und wenigen schönen Momenten, die der zweite Weltkrieg mit sich gebracht hat. Hetty Verolme ist es gelungen eine längst vergessene und verdrängte Zeit authentisch für die Ewigkeit auf Papier zu bannen. Für mich trotz dieser „Fragen“ fünf Sterne wert.
===Abschließendes Fazit===
Pro: Stil, Fotos, Beschreibungen
Contra: Altersfragen
Empfehlung: 5 Sterne
Kommentare
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